Heilige Schrift. Über die Zukunft des Lesens
Es wurde in letzter Zeit viel über die Zukunft des Lesens diskutiert, besonders seit das Kindle, E-Book und das iPad auf den Markt gekommen sind, die Medienwelt zu revolutionieren. Dass das gedruckte Wort an Wert verlieren wird, Bücher in 20 bis 30 Jahren in den Archiven schrulliger Sammler verschwinden werden, ist wohl unausweichlich. Das mag schade klingen, denn auch der Autor dieses Artikels liebt es, auf der Couch in mattem Licht in alten Büchern zu blättern, den Geruch des Papiers und natürlich das Gefühl der Geborgenheit, wenn die gedruckten Buchstaben den Leser in andere Welten tauchen lassen, ihn vollends einnehmen und von der realen Welt isolieren. Doch dabei verkennt man, dass eigentlich nicht das bedruckte Papier das wahrlich entscheidende ist, sondern der Inhalt, der Text, die Schrift an sich. Ob man nun den Werther von Goethe, das Wintermärchen von Heine, Don Carlos von Schiller, Freiheit von Franzen, die Verwandlung von Kafka, oder die Artikel der Lieblingszeitung auf einem elektronischen Gerät oder auf Papier liest, ist gar nicht entscheidend und nebensächlich, denn der Inhalt bleibt immer noch der selbe.
Es ist unsere Angst vor Veränderung, die uns dem schönen alten Buch nachhängen lässt. Der Mensch ist abhängig von seinen Gewohnheiten. Dabei ist es egal, wie wir die zahlreichen Texte lesen, die uns die Medien heutzutage bieten, denn so ein Text leuchtet von innen, ganz gleich über welches Medium. Der Text verliert keinesfalls an Würde, erst recht verliert er nicht seinen Sinngehalt, daher wird die Debatte um die elektronischen Bücher indes ad abdsurdum geführt und das Wesentliche aus den Augen verloren.
Für den Journalismus beispielsweise sind diese neuen technischen Spielereien ein Segen, auch wenn das hehre Vorhaben manch einer Redaktion noch keine Früchte getragen hat. Das wird es, keine Sorge. Artikel über ein iPad zu lesen kann freilich auch gemütlich und von Vorteil sein, weil man sich nicht durch die sperrige Zeitung kämpfen muss. Ein iPad kennt keine Eselsohren, es kennt keinen hässlichen Knick im Buchrücken. Alles hat seine Vor- und seine Nachteile; es bringt nichts, sich an ein Medium, - in diesem Fall ist es das bedruckte Papier-, zu klammern als sei es der Rettungsring auf hoher See. Aussterben wird das Buch nicht, dazu ist es uns schlichtweg zu heilig, dazu hat es den Westen zu sehr geprägt. Aber unser Hauptmedium wird es nicht mehr sein.
Wer denkt, dass wir wahre und geistreiche Kultur nur zwischen zwei Buchdeckeln aufbewahren können, dem fehlt es an Weitsicht. Seit Jahrhunderten wurde die Darstellungsform unserer Texte immer wieder verändert. An Wert und Glanz haben sie dabei nicht verloren, ganz im Gegenteil. Also Schluss mit diesem Kulturpessimismus!
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