Aigner feiert Vier-Wochen-Erfolg gegen Google
Berlin - Es sind Tage des Missvergnügens für Google. Mitten in der Sommerpause überraschte der Internet-Gigant die Deutschen mit der Ankündigung, bis Jahresende die 20 größten Städte des Landes per Street View digital begehbar zu machen. Politik und Bevölkerung waren ziemlich überrumpelt.
Plötzlich fordern Politiker aller Couleur neue Gesetze, und zwar schnell. Immer mehr Bürger nutzen die Möglichkeit zum Widerspruch, wollen die Veröffentlichung der abfotografierten Fassaden ihrer Häuser im Internet verhindern. Der Haken: Die Vorab-Widerspruchsfrist hatte Google auf nur vier Wochen angesetzt.
Vor allem daran entzündete sich der Protest. Am Donnerstagnachmittag gab der Gigant nach. Googles Vizepräsident für Nord- und Zentraleuropa, Philipp Schindler, teilte mit, man habe sich entschlossen, die Frist von vier auf acht Wochen bis zum 15. Oktober zu verlängern. Ausdrücklich wies der Google-Manager nochmals darauf hin, dass es auch nach der Einführung von Street View die Möglichkeit gibt, Gebäude nachträglich unkenntlich zu machen.
Ein Erfolg der Politik?
Fest steht: Mehrfach hatte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) Google aufgefordert, die Widerspruchsfrist zu verlängern. Der Imageschaden für die Marke sei jetzt "bereits enorm", sagte sie in einem Interview mit SPIEGEL ONLINE. Google könne sich "keinen Fehler mehr erlauben", zumal Deutschland nach den USA einer der wichtigsten Märkte für den Konzern sei. Aigner hatte sich bereits am Montag mit Google-Mann Schindler getroffen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, es sei "gut, dass Google den Zeitraum der Widerspruchsfrist verdoppelt, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen".
"Ergebnis der Gespräche, die wir mit Google geführt haben"
Der Internetkonzern erklärte nun zudem, dass die Daten jener, die Widerspruch einlegen, sicher verwahrt werden sollen. Und dem zuständigen Hamburger Datenschutzbeauftragten soll jederzeit Einblick in das Widerspruchsverfahren gewährt werden.
Die Bundesregierung verbucht das Nachgeben des US-Konzerns als Erfolg: "Das ist ein Ergebnis der Gespräche, die wir mit Google geführt haben", erklärten Innen- und Verbraucherministerium. Ein Sprecher Aigners betonte, man werde das laufende Widerspruchsverfahren weiterhin "aufmerksam beobachten".
Im Herbst wird Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zum Spitzengespräch mit Google und Co. laden, danach soll ein Gesetzesentwurf zu den so genannten Geo-Datendiensten - zu denen Street View gehört - vorgelegt werden. CSU-Frau Aigner kündigte auf SPIEGEL ONLINE an, dass man in der Folge auch das Bundesdatenschutzgesetz "allgemein ans Internetzeitalter anpassen" werde. Ziel sei "eine vernünftige Balance finden zwischen neuen technischen Möglichkeiten, von denen auch viele Verbraucher profitieren, und dem Schutz der Privatsphäre des Einzelnen".
Das wird die eigentliche Bewährungsprobe der Regierung sein.
Klar ist: Viel erreicht hat die Politik bisher nicht. Man mag Google eine Fristverlängerung um vier Wochen abgetrotzt haben, doch neue Rahmenbedingungen für die neue Zeit sind damit noch lange nicht geschaffen.Schwarz-Gelb ist ins Internetzeitalter gestolpert.
In den Ländern wächst die Kritik an der Bundesregierung, weil sie die Forderung des Bundesrats nach schärferen Regeln für zu kurz gegriffen hält. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) erwartet, dass die Initiative der Länder bei der Gesamtlösung Berücksichtigung findet. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) kritisierte in der "Passauer Neuen Presse", man hätte "auf Bundesebene schon früher aktiv werden können".
Hysterie auf beiden Seiten
Street View war tatsächlich ein Problem mit Ansage. Seit langem rollen die Kamerafahrzeuge des Konzerns durchs Land. Schon Ende Februar deutete der Internetriese an, in Deutschland 2010 mit Street View an den Start zu gehen. Seitdem war unter anderem die Ministerin Aigner im Gespräch mit den Google-Leuten.
Fraglich, ob Street View nun tatsächlich noch dieses Jahr in Deutschland gezeigt werden kann. Google-Sprecher hatten die Vier-Wochen-Frist in der Vergangenheit immer als ausreichend bezeichnet, man müsse einen solchen festgelegten Rahmen abstecken. Nur so sei es möglich, bis zur endgültigen Einführung des Dienstes alle Widersprüche umzusetzen. Und nun, mit einer Acht-Wochen-Frist? Der Start soll trotzdem wie geplant noch 2010 stattfinden, erklärte Google-Sprecher Kai Overbeck SPIEGEL ONLINE.
Statt eine Widerspruchsmöglichkeit anzubieten, so fordert es der Sozialverband VdK, solle Google doch von Rentnern eine Einwilligungserklärung einholen, bevor das Projekt startet. Verbraucherministerin Aigner warnt, dass dieser Schuss "nach hinten losgehen" könnte: "Sollen wir Netzfirmen ernsthaft Adressdaten der Einwohnermeldeämter, sortiert nach Altersgruppen, auf dem silbernen Tablett servieren?"
Auf der anderen Seite im Kampf um den 3-D-Straßenatlas gibt es Leute wie den Fotografen Jens Best. Der plant, alle Häuser zu fotografieren und samt ihrer GPS-Koordinaten ins Internet zu stellen, die Google auf Wunsch der Antragsteller aus Street View löschen soll. Für das Recht auf Fotografie im öffentlichen Raum, erklärt er SPIEGEL ONLINE, wäre er zur Not auch bereit, ins Gefängnis zu gehen.
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