Spanische Sozialisten im Moderausch
Zapateros Modepüppchen
Lederjacke ade: Die spanischen Sozialisten sind stylish geworden. Ob Verteidigungs- oder Kulturministerin, die Damen um Ministerpräsident Zapatero entdecken ihre modische Seite und hoffen damit auf Wählerstimmen.
Stilikone mit Stellvertretrinnen
20. September 2010Wenn spanische Sozialisten an die Macht gelangen, werden sie schick. Bei den Männern verschwinden als Erstes die bunten Hemden, dann die Koteletten, die vereinzelten Ohrringe und schließlich jene Lederjacken, in denen sie sich am Wochenende für die Unterbezirksversammlung der Partei als Hilfskapo der Bauarbeitergewerkschaft zu verkleiden pflegten. Steigen sie dann sogar bis in den Ministerrang auf, muss der Maßschneider ran. Damit aber auch das, was aus dem Anzug herausragt, gefälliger wird, geht es sogleich weiter zu Optiker, Zahnarzt und Frisör.
Krise hin, Krise her: Image und der Glamour-Faktor bestimmen in einem Maße das Auftreten der regierenden Klasse Spaniens, dass dahinter die Hoffnung auf dankbare Wählerstimmen vermutet werden muss. Die individuellen Metamorphosen sind in Madrid seit dem Regierungswechsel vor sechs Jahren in zahlreichen Varianten zu bestaunen. Nur einer hatte sich schon vorher geändert: Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero. Er soll schon als Oppositionsführer einen Valet, Stylisten und Imageberater beschäftigt haben. So verwundert es nicht, dass er auch als Regierungschef der Eleganteste in seinem Kabinett geblieben ist. In seiner Freizeit zeigt er bei den Boss-Jeans solide Markentreue. Ansonsten geriet seine Mode-Optik nur einmal ins Wanken, als er mit seinen Gothic-Töchtern in Washington Freund Barack Obama besuchte. Die beiden Teenager trugen im Weißen Haus - zum amüsierten Entsetzen des spanischen Fernsehpublikums - eine so rabenschwarze Kluft, als wären sie gerade von einer Halloween-Party gekommen.
Die Windjacke wich dem Einreiher mit weißem Hemd
Ángeles Gonzáles im Gypsy-Look
Unter den sozialistischen Politikern selbst sind wesentliche Verbesserungen zu registrieren. Zahnlücken wurden geschlossen, gelbgrüne Raucherstummel verkront oder zumindest poliert. Sogar José Blanco, Zapateros Stellvertreter als Parteivorsitzender, war kaum wiederzuerkennen, als er das Ressort für öffentliche Bauarbeiten übernahm. Die Windjacke wich dem Einreiher mit weißem Hemd und gedeckter Krawatte. Nur die Brille mit dem Kassengestell war geblieben. Bis jetzt. Nun operierte ihn der Augenarzt des spanischen Jetsets in Asturien, um die Gläser überflüssig zu machen. So kann Blanco, von dem man munkelt, er sei ein möglicher Nachfolgeinteressent für den von der Wirtschaftskrise gebeutelten Zapatero, seine Chancen mit bloßem Auge neu einschätzen.
Was Brillen, Haare und Bärte angeht, so sind auch die Regionalnationalisten gegen keine Verschönerung gefeit. Da ist der Katalane Josep Antoni Duran i Lleida, der zugibt, dass er von seiner Glatze durch muntere Gestelle ablenken möchte. Er, Sprecher seiner Fraktion im Parlament, hat sogar für jeden Tag des Jahres eine andere Brille vorrätig. Dann war da ein Baske, dem nur drei lange Fu-Man-schu-Haare auf dem Haupt geblieben waren. Diese arrangierte der Sprecher der Nationalistischen Partei aber kreuzweise wechselnd so kunstvoll, dass ihm immer schon vor Beginn seiner Ansprachen der einhellige Beifall des Hohen Hauses sicher war.
Sozialistische „Fashionistas“ sind die Stars
Wohnungsbauministerin in Signalfarbe
Keinerlei Beitrag zu irgendeiner Art von Modebewusstsein leistet hingegen der konservative Oppositionsführer Mariano Rajoy. Der Vorsitzende des Partido Popular ist zwar, seit sein Struppi-Vollbart fast gänzlich ergraut ist, oben nachgedunkelt. Ansonsten ist aber alles von der Stange.
Nichts davon gilt für Zapateros weibliche Ministerriege. Sie ist die eigentliche Augenweide für die staunenden Betrachter. Neun Ministerinnen - paritätisch besetzt neben neun Ministern - verblüffen vom ersten Amtstag an mit ihrem Mut zu Farbe, (Aus-)Schnitt und teuren Designer-Labels. Die sozialistischen „Fashionistas“ sind die eigentlichen Stars auf dem nationalen Laufsteg.
Die Konservativen sind ein modisches Desaster
Ganz sommerlich: Cristina Garmendia
Zapateros erste stellvertretende Ministerpräsidentin María Teresa Fernández de la Vega setzte mit ihren Hosenanzügen den Pfauenton, bis sie kurzerhand in Fernández de la Vogue umgetauft wurde. Und tatsächlich gelang es Zapateros Ministerinnen schon bald im Kollektiv, mit erlesenen Kleidungsstücken ausstaffiert, für die spanische Ausgabe der Modezeitung fotografiert zu werden. Ihr Model-Charakter hat seitdem in einem veritablen Wettbewerb der Eitelkeiten die weibliche Hälfte des Kabinetts in Atem gehalten. Da ist das Nesthäkchen, die junge „Gleichberechtigungs“-Ministerin Bibiana Aído, die vor der Entdeckung durch Zapatero in Andalusien für die Promotion des Flamencos zuständig war und sogleich auch die Lederjacke in den Schrank sperrte. Inzwischen glänzt Frau „Papa-ich-bin-Ministerin“ mit reizenden Debütantinnenkleidchen, die fast darüber hinwegtäuschen, dass ihr Ressort schon zu einer verblassten und demnächst obsoleten Fortschrittsschminke geworden ist. Verteidigungsministerin Carme Chacón, die erste Spanierin auf diesem Posten, gefiel am Festtag der Streitkräfte in einem Smoking aus dem Hause Purificación García und setzte damit neue Maßstäbe. Gesundheitsministerin Trinidad Jiménez, als Boutiquen-Schreck auf Madrids Goldener Meile, der Calle de Serrano, bekannt, ist gerade dabei, ihren Kleiderschrank mit dem Ziel „Volksnähe“ umzumodeln. Sie kandidiert für den Posten des Ministerpräsidenten der Region Madrid und muss weniger plissiert erscheinen, um die Basis zu mobilisieren. Das ist nicht ganz einfach, weil die Basis schon einen Parteichef und willigen Kandidaten namens Tomás Gómez hat, der sich die Bewerbung nicht rauben lassen will. Aber Gómez, der es wagte, Zapatero zu widersprechen und nicht zu weichen, leistet seine Basisarbeit in so tristen Joppen, dass Trini Jiménez schon einen Alliierten sagen ließ, er sei wahrscheinlich ein verkappter Rechter.
Während die spanischen Linken sich um das Geld nicht scheren und vorführen, dass sie gewissermaßen ein Mandat des Volkes haben, von Kopf bis Schuh einen Hauch von Hollywood zu verbreiten, will derlei den Konservativen nicht gelingen. Der Versuch, die Parteisprecherin des Partido Popular, Soraya Sáenz de Santamaría, für eine Fotostrecke im Magazin der Zeitung „El Mundo“ in eine Art Vamp zu verwandeln, war ein mittleres Publicity-Desaster. Figürlich zu kurz und zu füllig für zu viel blanke Haut und zu wenig Textilien muss Mariano Rajoys Bart über Nacht noch grauer geworden sein, als er das wie aus einem Fellini-Film entsprungene Resultat sah.
Regierungszeit als Modenschau
Verteidigungsministerin in Beige
Der Oppositionsführer ist ohnehin leidgeprüft, weil einer seiner Provinzbarone, der Ministerpräsident von Valencia, Francisco Camps, wegen ein paar billiger Anzüge tief in die Bredouille geraten ist. Camps ließ sich von einem halbseidenen Lobbyisten, der gegenwärtig wegen Bestechung auf seinen Prozess wartet, aus „purer Nächstenliebe“ - nicht etwa wegen lukrativer Verträge zur Ausrichtung von Parteiveranstaltungen - einige Anzüge schenken, in denen kein arrivierter Sozialist sich auch nur im Kohlenkeller sehen ließe. Nun mag er sogar zurücktreten müssen, weil ein paar andere Gefälligkeiten hinzugekommen sein sollen. Rajoy, obschon von tiefster Loyalität durchdrungen, würde bei einer Anklage wohl die Grenze ziehen. Die Anzüge allein, so ließ er aber wissen, reichten noch nicht für einen Parteiausschluss.
Und auch ein Geist aus der Vergangenheit wurde dieser Tage mit seiner neuen Freundin in einer Boutique von Christian Dior in Buenos Aires gesichtet: Felipe González. Der ehemalige Ministerpräsident, der seine ehrwürdige Lederjacke und die verbeulte Kordhose auch nur noch zu Parteitagen anlegt, ist längst in die Sphären der bestangezogenen Spanier entrückt. Manch einer seiner Landsleute fragt sich inzwischen, welches wohl eines nicht allzu fernen Tages die stärkste Erinnerung an die Regierungszeit des sozialistischen Nachfolgers Zapatero sein werde. Parteiübergreifend kann darauf schon jetzt geantwortet werden: Es war eine Modenschau.
Text: F.A.S.
Bildmaterial: AP, ASSOCIATED PRESS, dpa
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