ROMA-FRAGE
Warum Barroso Sarkozy dankbar sein muss
Frankreichs Präsident greift Brüssel an – ein Glücksfall für den Kommissionspräsidenten. Barroso hat dadurch unverhofft an Macht gewonnen. Ein Kommentar
© REUTERS/Francois Lenoir
Für José Manuel Barroso ist Frankreichs Staatspräsident ein Glücksfall. Denn der Ausbruch Nicolas Sarkozys in der Roma-Frage hat dem EU-Kommissionspräsidenten unverhofft wichtiges politisches Kapital in die Hände gespielt. Kapital, das dieser dringend braucht.
Was ist geschehen? Erst versichern zwei Minister Sarkozys der EU-Justizkommissarin Vivian Reding, die französische Abschiebe-Aktion betreffe nicht speziell eine ethnische Minderheit. Doch schon am folgenden Tag werden sie durch einen Runderlass des Pariser Innenministeriums widerlegt, der belegt, dass sich die Abschiebungen ausdrücklich gegen Roma richtet.
Dann blafft Sarkozy öffentlich, nicht die EU-Kommission sei die Hüterin der Europäischen Verträge, nachdem die Kommissarin – wenn auch in unangemessener Form – die Einhaltung europäischen Rechts anmahnte. Und schließlich darf ein französischer Europa-Staatssekretär auch noch bemerken, so dürfe man "nicht mit einem großen Mitgliedsstaat" umgehen.
Mehr Steilvorlagen für Brüssel sind kaum möglich. Barroso nutzte sie geschickt, als er seine Donnerworte gegen Sarkozy aus dem Sitzungssaal bis auf die Flure der Brüsseler Zentrale hallen ließ.
Denn natürlich ist es die ureigenste Aufgabe der Kommission, über die Einhaltung des europäischen Rechts zu wachen. Ihr diese Funktion abzusprechen heißt, ihr die Existenzgrundlage zu entziehen.
Gleichzeitig verletzte Sarkozy den Stolz der vielen kleinen Mitgliedsstaaten, indem er zuließ, dass sein Staatssekretär zwischen großen und kleinen EU-Mitgliedern unterschied. Denn schon immer war es eine Urangst dieser Länder, dass sie von den Großen bei wichtigen Entscheidungen übergangen würden; in der Art, wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien in der Finanz- und Währungskrise viele Entscheidungen unter sich ausmachten, konnten sie sich darin bestärkt sehen.
Allen diesen Ländern aber gilt die Kommission als ihr Anwalt im europäischen Spiel der Kräfte. Barroso hat sich von Sarkozys Gehabe nicht beeindrucken lassen und so an Macht gewonnen. Das war auch dringend nötig. Denn schon lange gilt der Kommissionspräsident als schwach. In der Finanzkrise hat er sich von Griechenland vorführen lassen und offensichtliche Zahlenfälschereien nicht erkannt.
Seither diente die Kommission in allen wichtigen Entscheidungsprozessen zu Rettungsplänen und Finanzregeln weitgehend als Staffage. Doch nun hat sich mit Sarkozy einer der Großen in seiner Missachtung zu weit vorgewagt. Das Momentum liegt – für den Augenblick – wieder in Brüssel.
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