Privatsphäre 2.0 oder die Zuckerberg-Variante
Im ursprünglichen Wortsinn meint Privatheit jenen Zustand, in dem wir uns befinden, solange wir uns nicht öffentlich betätigen. Einen bewusst gewählten Rückzugsort von der Gesellschaft somit. Demnach schließen sich die Begriffe Privatsphäre und soziales Netzwerk per Definitionem aus. Immerhin werden durch solche Angebote Informationen öffentlich – meint, von Suchmaschinen auffindbar und damit Menschen zugänglich, für die sie ursprünglich nicht gedacht waren.
Eigentlich erstaunlich also, dass es jedes Mal Aufregung gibt, wenn beispielsweise Facebook die Instrumente ändert, mit denen die Nutzer bestimmen können, was Freunde sehen und was der Rest der Welt. Oder wenn Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wie gerade in einer Diskussionsrunde sagt, würde er Facebook heute gründen, wären viel mehr Informationen per Voreinstellung öffentlich als sie es nun schon sind.
Vielleicht ändert sich unsere Einstellung zum Thema Privatsphäre ja langsamer, als Menschen wie Zuckerberg – der von dieser unserer Privatsphäre lebt –, uns glauben machen. Vielleicht wollen wir sie gar nicht so gern hergeben, auch wenn wir es täglich tun? Oder der Bauch, der sagt, ist doch lustig, raus mit der Info über die Party, ist schneller als der Kopf, der noch überlegt, was das wirklich bedeutet? Oder die soziale Norm, alles zu posten, ist so neu, dass wir noch üben müssen, mit ihr umzugehen und gerade erst lernen, wie weit wir gehen müssen/können?
Keine Ahnung.
Doch eines ist sicher: Zuckerbergs Behauptung, Facebook reagiere nur und tue nichts weiter, als sich ändernde soziale Normen widerzuspiegeln, ist eine Lüge gefährliche Untertreibung.
Gäbe es das Werkzeug nicht, würden auch keine Regeln für den Umgang damit entstehen. Mit bloßer Hand, ohne einen Hammer, um eine alte psychologische Metapher zu zitieren, würde niemand auf die Idee kommen, einen metallenen Nagel in eine Wand treiben zu wollen. Ja, der Hammer wurde erfunden, um genau diese Aufgabe zu erfüllen, also ein Bedürfnis zu befriedigen. Doch es ist eine direkte Beziehung der Weiterentwicklung (größere Hämmer, dickere Nägel) und den eigenen Anteil daran zu negieren, ist nicht ehrlich.
Facebook und andere Netzwerke wie YouTube erziehen ihre hunderten Millionen Nutzer dazu, immer mehr preiszugeben. Sie belohnen solches Verhalten mit einer verlockenden Währung: Aufmerksamkeit. Sie wurden erfunden, weil es das Bedürfnis dazu gab. Doch sie werden auch größer, weil sie dieses Bedürfnis befeuern und schüren.
Dass sich Facebook dieses Mechanismus’ und seiner Gefahren bewusst ist, zeigt ein anonymes Interview mit einem Angestellten des Netzwerks bei rumpus.net. Der darin erzählt, in welchem Umfang Daten der Nutzer gesammelt werden: “We track everything.”
Auch die Tatsache, dass Facebook vor einiger Zeit die Position eines Chief Privacy Officer geschaffen hat, zeigt, dass das Unternehmen weiß, was es tut. Inzwischen geradezu ein Standard im sogennnten Web 2.0, wie der Anonymus sagt: “Offensichtlich braucht es jemanden, der einen Schritt zurücktritt und sicherstellt, dass irgendein Datenschutz existiert, oder zumindest soviel davon, wie wir installieren können.”
Daher wäre wohl eher mehr Verantwortungsbewusstsein angebracht, nicht noch mehr Zuckerbergsche Versuche, sich dieser Verantwortung zu entziehen.p
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